X, mit letztem Wohnsitz in A, verstarb am 15. August 1987 in England. Mit Schreiben vom 3. August 1990 beantragte ein Teil der Erben bei der Teilungsbehörde von A die Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist gemäss Art. 567 Abs. 1 ZGB. Mit Entscheid vom 17. Oktober 1990 lehnte die Teilungsbehörde dieses Begehren ab. Hiegegen führten die Gesuchsteller beim Regierungsstatthalter Verwaltungsbeschwerde; dieser wies die Beschwerde mit Entscheid vom 12. Februar 1992 ab. Die Gesuchsteller zogen diesen Entscheid mit Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat weiter. Mit Entscheid vom 18. August 1992 bestätigte der Regierungsrat den Entscheid des Regierungsstatthalters und wies die dagegen geführte Beschwerde ab. Als zulässiges Rechtsmittel gegen diesen Entscheid verwies er auf die Berufung an das Bundesgericht.
B. - Die Erben von X führten gegen den Entscheid des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV. Mit Entscheid vom 26. Februar 1993 hielt die II. Zivilkammer des Bundesgerichts fest, der Entscheid über die Wiederherstellung der Ausschlagungsfrist nach Art. 576 ZGB könne nicht mit eidgenössischer Berufung angefochten werden; die Rechtsmittelbelehrung im Entscheid des Regierungsrates sei falsch. Als bundesrechtliche Rechtsmittel fielen die zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde sowie die staatsrechtliche Beschwerde in Betracht. Auf die staatsrechtliche Beschwerde könne indessen nicht eingetreten werden, weil es sich beim Entscheid des Regierungsrates nicht um einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid handle. Gegen den Entscheid wäre die kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Verfügung gestanden.
Mit Eingabe vom 29. März 1993 an das kantonale Verwaltungsgericht beantragen die Gesuchsteller, es sei ihnen die Frist zur Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 18. August 1992 wiederherzustellen.
Das Gericht hat das Gesuch abgelehnt mit folgenden Erwägungen:
2. - a) Gemäss § 36 VRG kann die Behörde versäumte Fristen wiederherstellen, wenn die Partei ihr Vertreter unverschuldet davon abgehalten worden sind, rechtzeitig zu handeln, und wenn innert 10 Tagen seit Wegfall des Hindernisses ein begründetes Gesuch eingereicht und gleichzeitig das Versäumte nachgeholt wird. Dem behördlichen Ermessen wird bei der Beurteilung eines geltend gemachten Wiederherstellungsgrundes ein weiter Spielraum eingeräumt. Im Interesse der Rechtssicherheit und eines geordneten Rechtsganges darf ein Hinderungsgrund nicht leichthin angenommen werden (Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, Diss. Zürich 1991, S. 102). Nach Lehre und Rechtsprechung sind nur Gründe als erheblich zu betrachten, die einem Gesuchsteller auch bei Aufwendung der üblichen Sorgfalt die Wahrung seiner lnteressen verunmöglicht unzumutbar erschwert hätten (Beerli-Bonorand, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes und der Kantone, Zürich 1985, S. 227 mit Hinweisen). Ein unverschuldetes Hindernis liegt vor, wenn es der Partei ihrem Vertreter infolge eines von ihrem Willen unabhängigen Umstandes objektiv unmöglich war, die Frist zu wahren. Dabei sind lediglich solche Hindernisse als erheblich zu betrachten, die nur kraft übermässiger unzumutbarer Anstrengungen hätten überwunden werden können. Zudem liegt ein unverschuldetes Hindernis in aller Regel nur bei objektiver Unmöglichkeit, die Frist zu wahren, vor; so z. B. wegen Militärdienstes, plötzlicher schwerer Erkrankung, Inhaftierung, Naturkatastrophen u. a. (LGVE 1979 II Nr. 43, 1976 II Nr. 53; Beerli-Bonorand, a. a. O., S. 228). Das Versäumnis muss mit andern Worten ohne Verschulden eingetreten sein, denn jedes Verschulden einer Partei eines Vertreters schliesst die Wiederherstellung a priori aus, unabhängig davon, ob es sich um ein grobes bloss leichtes Verschulden handelt (Pra 77 [1988] Nr. 152, S. 541; Gadola, a. a. O., S. 101). Objektive Wiederherstellungsgründe machen die Gesuchsteller nicht geltend und sind auch sonstwie nicht zu erkennen. Sie berufen sich im wesentlichen auf Irrtum wegen falscher Rechtsmittelbelehrung, mithin auf einen subjektiven Wiederherstellungsgrund.
b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 35 OG, dem § 36 VRG im wesentlichen entspricht, können auch Hinderungsgründe subjektiver, psychischer Art eine Wiederherstellung rechtfertigen (Pra 77 [1988] Nr. 152 mit zahlreichen Hinweisen). So kann ein rechtserheblicher Wiederherstellungsgrund darin gesehen werden, dass ein Betroffener durch ein Verhalten der Behörde in einen die Fristversäumnis bewirkenden Irrtum versetzt wird, ohne selbst dafür verantwortlich zu sein (Beerli-Bonorand, a. a. O., S. 229 f.; Steuerentscheid [StE] 1987 A 21.14 Nr. 6). Auch hier gilt der Grundsatz, dass bei der Prüfung der (subjektiven) Hinderungsgründe ein strenger Massstab anzuwenden ist (Gadola, a. a. O., S. 102).
Das in Art. 4 BV gewährleistete verfassungsmässige Recht auf Vertrauensschutz bewirkt unter anderem, dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtssuchenden gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin ist eine falsche Auskunft bindend,
1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat;
2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war wenn der Bürger die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte;
3. wenn der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte;
4. wenn er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können;
5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung keine Änderung erfahren hat (BGE 116 I b 187 Erw. 3 c; LGVE 1986 II Nr. 18 mit weiteren Verweisen).
Zunächst bedarf der Vertrauensschutz einer Vertrauensgrundlage, die beim Betroffenen eine bestimmte Erwartung auslöst (Häfelin/Haller, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, Randziffer 532; Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 74 B XI a). Um schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, welches nach dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens eine Bindung an früheres Verhalten bewirkt, muss die Auskunft sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach den Umständen, unter denen sie gegeben wird, es objektiv rechtfertigen, dass der Bürger ihr vertraut. In Konkretisierung dieses Grundsatzes ist allgemein anerkannt, dass einer Partei aus einer falschen Rechtsmittelbelehrung kein Rechtsnachteil erwachsen darf (BGE 115 I a 19; Beerli-Bonorand, a. a. O., S. 230 mit Hinweisen). Doch geniesst nur derjenige diesen Vertrauensschutz, der die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung tatsächlich nicht gekannt hat bzw. für den sie nicht ohne weiteres klar erkennbar war. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts bedeutet dies praktisch, dass sich der Private dann nicht auf das durch die Rechtsmittelbelehrung erweckte Vertrauen berufen kann, wenn er sein Anwalt deren Unrichtigkeit allein erkennen konnte (BGE 106 I a 13 ff., insbesondere S. 16 ff.; StE [1987] A 21.14 Nr. 6; Verhandlungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 1989, S. 23).
c) Der Entscheid des Regierungsrates vom 18. August 1992 enthält als Rechtsmittelbelehrung die Berufung an das Bundesgericht. Die Gesuchsteller haben mit Blick auf die in BGE 114 II 220 publizierte Rechtsprechung in zutreffender Weise erkannt, dass die Frage nach der Wiederherstellung der Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft gemäss Art. 576 ZGB nicht mittels Berufung angefochten werden kann. Mit Recht wenden sowohl die Gesuchsgegnerin als auch das Justizdepartement in ihren Vernehmlassungen ein, dass die falsche Rechtsmittelbelehrung bei den Gesuchstellern keine Vertrauensgrundlage geschaffen hat, denn es ist erwiesen, dass der Rechtsvertreter der Gesuchsteller die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkannt hat. Bei dieser Sachund Rechtslage gebricht es an einer der kumulativen Voraussetzungen für den Vertrauensschutz wegen falscher Rechtsmittelbelehrung.
d) Wie bereits gesagt, hat der Rechtsvertreter die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkannt und ist ihr auch nicht gefolgt. Bei dieser Ausgangslage hätte er nun aber mit gebührender Aufmerksamkeit danach fragen müssen, welches Rechtsmittel an Stelle der eidgenössischen Berufung er hätte einlegen müssen.
Es ist zu Recht nicht strittig, dass in verfahrensrechtlicher Hinsicht das luzernische VRG zur Anwendung kommt. Bei dieser Rechtslage hätte der Rechtsvertreter der Gesuchsteller zumindest anhand dieses Gesetzes prüfen müssen, ob der innerkantonale Rechtsweg mit dem Entscheid des Regierungsrates ausgeschöpft ist nicht. Denn gerade im Hinblick auf die von ihm ins Auge gefasste staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV hätte er prüfen müssen, ob der Entscheid des Regierungsrates als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid zu betrachten ist nicht (vgl. Art. 87 OG; BGE 118 I a 110 Erw. 3, 117 I a 389 Erw. 1). Hätte er das VRG konsultiert, hätte er ohne weiteres erkennen müssen, dass Entscheide des Regierungsrates mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden können, soweit das VRG andere Gesetze die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausschliessen (§ 148 Abs. 1 lit. a VRG). Die Ausschlussgründe werden in §§ 149 bis 151 VRG aufgezählt. Dass es sich beim Entscheid des Regierungsrates nicht um einen Anfechtungsgegenstand handelt, der unter § 150 Abs. l lit. a-i VRG fällt, ist offensichtlich und braucht nicht weiter erörtert zu werden. Ebensowenig spielt hier der besondere Ausschlussgrund gemäss § 151 VRG eine Rolle. Ferner ist gemäss §§ 149 VRG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen, wenn sich der Entscheid bei einer Bundesbehörde durch ein anderes Rechtsmittel als die staatsrechtliche Beschwerde anfechten lässt. Wie bereits erwähnt, hat der Rechtsvertreter der Gesuchsteller die staatsrechtliche Beschwerde für das richtige Rechtsmittel gehalten, was mit Blick auf BGE 114 II 222 Erw. 1 bei einem letztinstanzlichen kantonalen Entscheid zutreffend ist. Folglich steht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorliegenden Verfahren auch nicht § 149 VRG entgegen. Der Rechtsvertreter der Gesuchsteller vermag keine rechtserheblichen Zweifel zu benennen, die ihn abgehalten hätten, vom ordentlichen Rechtsmittel der kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzusehen. Insbesondere erweist sich sein Hinweis auf § 18 der Verordnung über das Verfahren in Erbschaftsfällen (SRL Nr. 210) als unbehelflich, schliesst doch auch dieser Erlass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht aus.
Nach dem Gesagten muss festgehalten werden, dass der Rechtsvertreter der Gesuchsteller allein durch Konsultation des VRG hätte erkennen müssen, dass vor der Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde vorab der innerkantonale Rechtsschutz vor Verwaltungsgericht hätte ausgeschöpft werden müssen. In gleicher Weise wäre er durch Konsultation des VRG auf die Rechtsmittelfrist von 20 Tagen gemäss § 130 in Verbindung mit § 127 lit. b VRG gestossen. Soweit die Gesuchsteller diese Frist versäumt haben, geniessen sie bzw. ihr Anwalt den aus Art. 4 BV abgeleiteten Vertrauensschutz nicht (BGE 112 I a 310 Erw. 3; Urteil des Bundesgerichts in Sachen der Parteien vom 26. 2. 1993 Erw. 1 c am Schluss). Gestützt auf diese Erwägungen muss das Gesuch um Wiederherstellung der verpassten Rechtsmittelfrist abgewiesen werden. Es kann daher offen bleiben, ob das Gesuch um Wiederherstellung der Frist rechtzeitig eingereicht wurde, was die Gesuchsgegnerin anzweifelt. Nach dem Gesagten kann auf die mit Eingabe vom 29. März 1993 gleichzeitig eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde zufolge Fristversäumnis nicht eingetreten werden (§ 107 Abs. 2 lit. e in Verbindung mit Abs. 3 VRG).
Die gegen diesen Entscheid beim Schweiz. Bundesgericht eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist zurückgezogen worden.
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